Mauretanien: Feldforschung zur Musikkultur Mauretaniens
Die Kultur der Haratin – der ehemaligen Sklaven in Mauretanien, auch „schwarze Mauren“ genannt – wurde bislang noch nie ernsthaft erforscht. Ihre Musik, Lieder und Tänze, sind niemals schriftlich festgehalten worden, sondern immer nur mündlich überliefert. Deshalb stellt sich aktuell die Frage: Wovon handeln die Gesänge, was drücken die Tänze aus, welche Instrumente werden dabei noch gespielt? Das heißt: welche Bedeutung hatte und hat noch die Musik? Welche Traditionen sind überhaupt noch lebendig und werden an eine jüngere Generation weitergegeben? Gleiches gilt für die Musikkultur der „Griots“, der „Bewahrer der Geschichte“, die diese Geschichte in Literatur und Musik vermitteln. Auch diese Tradition droht mit dem Tod der Alten unwiderruflich verloren zu gehen. Noch gibt es einige der wandernden Sänger und Spieler der Laute tidinit und die Frauen, die ihren Gesang mit der Harfe ardin begleiten. Hier setzt die für April 2015 geplante Feldforschung zur Dokumentation des musikalischen Erbes in Mauretanien an. Unterstützt von der Jutta Vogel Stiftung und Mitteln aus dem Auswärtigen Amt arbeiten die Musikethnologin Edda Brandes und die Filmemacherin Petra Buda mit mauretanischen Partnern zusammen. Sie besuchen u. a. das traditionelle Musikfest in Nouakchott sowie einen der bedeutendsten Musiker der Haratin in Chinguetti. Publikationen auf CD und DVD werden die Früchte dieser Zusammenarbeit festhalten, um an fast schon Vergessenes zu erinnern, Vorhandenes zu bewahren und nicht zuletzt die Jungen dafür zu interessieren, ihre eigene Kultur weiterzutragen und deren musikalischen Reichtum über die Grenzen des eigenen Landes hinaus bekannt zu machen. In der Hauptstadt Nouakchott und der näheren Umgebung treffen sie auf Künstler aus allen Landesteilen und besuchen in Chinguetti einen der bedeutendsten Musiker der Haratin.
Musikkultur Mauretaniens
Musikkultur Mauretaniens
Berlin: Strategie-Workshop zu Mauretaniens Manuskripten
Der Workshop in Berlin will Mauretaniens Manuskripte behandeln und sich mit einer kritischen Auswertung bisheriger Erhaltungsmaßnahmen beschäftigen, um die Entwicklung einer Zukunftsstrategie zu erarbeiten. Mauretanien beherbergt in über 800 privaten Familienbibliotheken Schätzungen zufolge mehr als 30.000 Handschriften. Ein Großteil dieser Manuskripte behandelt religiöse Themen, überwiegend in Form von klassischer islamischer Kommentarliteratur, ferner aber auch Texte zu medizinischen, astronomischen, literarischen und historischen Inhalten. Darüber hinaus werden persönliche Familiendokumente und Kaufverträge aufbewahrt. Diese Bibliotheken stellen einen wichtigen Bestandteil des kulturellen Vermächtnisses des Sahara-Sahel-Raumes dar. Gemeinsam mit Südmarokko, Südalgerien, Südlibyen, Mali, Senegal, Burkina Faso, Guinea, Niger, Nordnigeria, Tschad und Darfur (Sudan) ist durch das Engagement miteinander vernetzter muslimischer Gelehrter und Händler dieses Zeugnis einer uns bis heute noch nicht vollständig erschlossenen Geschichte entstanden. Aufgrund des unterschiedlichen Engagements der daran beteiligten Nationalstaaten ist dieses Erbe allerdings teilweise bedroht. Der Bestand in Mauretanien muss dabei als besonders gefährdet gelten. Eine solche Sammlung vielfältiger schriftlicher Quellen aus verschiedenen Jahrhunderten ist für den afrikanischen Kontinent eine Ausnahmeerscheinung. Die gesammelten Manuskripte umfassen den Zeitraum vom 18. bis zum 20. Jahrhundert, wobei einzelne Texte durchaus auf ein älteres Entstehungsdatum zurückgehen.
Bei dem auf zwei Tage angesetzten Workshop geht es darum, den Stand des Handschriftenerhalts in Mauretanien zu erfassen und einen realisierbaren Plan für die weitere Arbeit zu entwickeln. Beteiligen werden sich Wissenschaftler, die unterschiedliche Kompetenzen mitbringen, um das Material zu erforschen und zu sichern. Wichtig ist dabei die Perspektive, dass die Akteure in Zukunft enger kooperieren, um anstelle von Einzelaktionen ein „Gesamtpaket“ für die Rettungsarbeit vorzulegen. Nur damit sind potentielle Geldgeber zu gewinnen, ohne die der Erhalt der kostbaren Handschriften Mauretaniens nicht möglich sein wird. Die Ergebnisse des Workshops sollen bis Juni 2016 in einer Publikation vorliegen.
Mauretaniens Manuskripte
Mauretaniens Manuskripte
Namibia 2014: Ju/’hoansi bebildertes Kinderwörterbuch
The Ju|’hoan Children’s Picture Dictionary is a collaborative project between the Namibian Ju|’hoan from the Tsumkwe region and academics from various fields. The primary aim of this dictionary is to provide Ju|’hoan children with a piece of mother -tongue literature that is locally inspired and that can also be shared with those from the outside world. Entries in this thematic dictionary are in the Ju|’hoan Tsumkwe dialect, Afrikaans and English. All the illustrations and artwork were created by Ju|’hoan people from the Tsumkwe region, who share their knowledge and insight into different facets of Ju|’hoan daily life. Great care has gone into the making of this dictionary, with members of the Ju|’hoan community leading the way in the selection of themes, lexical entries, design and layout to make this publication a community -driven project that highlights Ju|’hoan culture. Included is an interactive CD with a pronunciation guide for each entry provided by Ju|’hoan speakers, as well as a photo and video gallery, short biographies of contributors, interesting information about the Ju|’hoan people and a fun, printable language game. By buying this Dictionary you are helping to spread awareness about the Ju|’hoan language and culture, to stop this endangered language from disappearing forever. This unique and special book is a must for anyone with an interest in San life, the San people and their communities.
Bebildertes Kinderwörterbuch
Bebildertes Kinderwörterbuch
Köln 2014: Afrika-Filmfestival
Festival "Jenseits von Europa - Filme aus Afrika"
Seit 1992 veranstaltet FilmInitiativ Köln e.V. das Filmfestival "Jenseits von Europa - Filme aus Afrika". In mehr als zwei Jahrzehnten waren bei dem biennal präsentierten Festival und bei Filmreihen in den Jahren dazwischen mehr als 500 Filme aus 40 afrikanischen Ländern in Köln zu sehen. Das Publikum hatte dabei die Gelegenheit, mehr als 100 Filmschaffende persönlich kennen zu lernen.
FilmInitiativ stellte Informationen zu all diesen Filmen und seinen Gästen für alle Interessierten über die Datenbank auf ihrer Internetseite zur Verfügung. Die Jutta Vogel Stiftung war froh, die 13. Ausgabe des Festivals vom 18. bis 28. September 2014 unterstützen zu können. Weitere Informationen zum Festival finden Sie hier:
Afrika-Filmfestival
Afrika-Filmfestival
Namibia 2014: Forschung zu Khwe-Familiennamen
Dieses Forschungsprojekt der Jutta Vogel Stiftung kommt ein weiteres Mal dem kulturellen Erbe einer Gruppe der San zugute, die heute im Bwabwata National Park in Namibias West Caprivi lebt.
Die Khwe wurden in den Jahren des namibischen Unabhängigkeitskampfes von den südafrikanischen Streitkräften aus ihren angestammten Wohngebieten in die lokalen Militärlager umgesiedelt, weil ihr Siedlungsgebiet militärisches Sperrgebiet wurde. Viele Khwe wurden damals als Soldaten in die südafrikanische Armee rekrutiert, die dann im Zuge der Unabhängigkeit Namibias im Jahr 1990 das Land verließ. Im Jahr 2000 wurde der Naturschutzstatus des Caprivi Game Park zum National Park aufgewertet. Im Zuge der Umsiedlung verloren die Khwe den Zugang zu ihren Jagd- und Sammelgebieten. Die frühere Raumordnung, wonach die Oberhäupter von Familiengruppen entschieden, wer Zugang zu den natürlichen Ressourcen ihres Gebietes hatte, wurde irrelevant. Die Entwicklungen hatten auch Auswirkungen auf die Familienorganisation. Bis dahin waren die Familien „bilateral“ strukturiert, d. h. jedes Kind gehörte sowohl zur Gruppe der Mutter als auch zu der des Vaters und hatte damit das Recht, die Namen beider Familien zu tragen und die Ressourcen in den Jagd- und Sammelgebieten beider Herkunftsfamilien zu nutzen. Dem Einfluss der patriarchalischen Ordnung, wie sie in der südafrikanischen Armee herrschte, ist zuzuschreiben, dass viele Khwe sich nur noch der väterlichen Gruppe zuordneten, die Bedeutung des Familiennamens für die Subsistenz verloren ging und dass viele Namen bei den jüngeren Generationen in Vergessenheit geraten sind. Heute ist den Khwe bewusst, wie viel Wissen über ihre eigene Kultur damit schon verloren gegangen ist. Deshalb haben sie begonnen, Informationen zur Siedlungsgeschichte einzelner Familienverbände zu sammeln und in ihrer Sprache aufzuschreiben, um die so gewonnenen Erkenntnisse an jüngere Generationen weiterzugeben. Hier setzt in enger Kooperation mit der jüngst von Bewohnern des Bwabwata National Parks gegründeten Kyaramacan Association die Arbeit von Dr. Gertrud Boden an, deren Ergebnis ein Textbuch sein soll, in dem Entstehung und Bedeutung von 35 Khwe-Familiennamen anhand originalsprachiger Texte mit interlinearen und englischen Übersetzungen dokumentiert sind. Weiterführende Informationen sowie Bilder und Zeichnungen ergänzen die Texte. Das Buch soll sowohl im muttersprachlichen Schulunterricht genutzt werden als auch in der in Entstehung begriffenen Traditional Environmental Knowledge Outreach Academy (TEKOA), einer Einrichtung, in der ältere Khwe ihr traditionelles Wissen über die Umwelt an die jüngere Generation und an Besucher des Nationalparks weitergeben werden.
Hier können Sie sich einige Seiten der Endfassung des Buches ansehen: PDF-Download
Bwabwata National Park
Bwabwata National Park
Mauretanien 2013: Publikation zu Haratines
Die Jutta Vogel Stiftung hat jüngst die Endredaktion des Buches von Professor Zekeria Ould Ahmed Salem von der Universität de Nouakschott in Mauretanien unterstützt, das im Juli 2013 unter dem Titel „Prêcher dans le désert: Islam et transformations sociales en Mauritanie“ (ISBN: 978-2-8111-0907-3) im Verlag Karthala (Paris) erschienen ist. Bei der Studie handelt es sich um die erste systematische Untersuchung zum Verhältnis von Islam und sozialem Wandel im postkolonialen Mauretanien. Die „Islamische Republik Mauretanien“ wurde 1960 von Frankreich unabhängig und hat seither sehr unterschiedliche Entwicklungen politischer, religiöser und sozialer Art durchlaufen. Vor allem die arabisch-sprachige Bevölkerungsgruppe der Haratines, denen eine Sklavenvergangenheit zugeschrieben wird, hat eigene theologische und juristische Normen ausgeprägt, die sie in Fragen von Abstammung, innerethnischer Heirat sowie Heirat über Hierarchien hinweg von ihrer Umgebung und somit auch der übrigen islamischen Rechtsprechung unterscheiden. Daraus resultieren wiederum unterschiedliche Einflüsse von Moscheen und Imamen. Im Kern geht es dabei um das Zusammenleben der Haratines in und mit einer ursprünglich nomadischen Gesellschaft. Diese sehr komplexen Zusammenhänge hat der Autor erforscht. Seine Ergebnisse sollen dazu beitragen, die wesentlichen Transformationen im individuellen wie im gesellschaftlichen Leben zu verstehen, von denen auch künftige Entwicklungen mit geprägt sein werden. In diesem Sinn versteht sich die Förderung des Projekts als Beitrag zum Kulturerhalt in der südwestlichen Sahara.
Imam in Mauretanien
Imam in Mauretanien
Mali 2013: Imzad-Schule in Kidal
Die Imzad, eine einseitige Geige, ist ein altes, aus der Tradition der Tuareg nicht wegzudenkendes Instrument. Der Klang der Imzad ist in der Kultur der Tuareg ein moralischer Halt. Im Juli 2010 wurde die neue Imzad-Schule in Kidal, Mali, vom Verein Taghreft Tinariwen zusammen mit der Jutta Vogel Stiftung ins Leben gerufen. Zehn Frauen haben begonnen, bei einer Imzad-Spielerin aus Kidal das Spielen dieses Instrumentes zu lernen. Die Leitung haben gemeinsam Mohamed Ag Erless, der Kulturbeauftragte von Kidal, und Koci Walet M'Bareck übernommen. Schon Ende Juli haben die Frauen gemeinsam mit ihrer Lehrerin für zwei Wochen eine sehr alte Imzad-Spielerin in einem Nomadencamp 50 km außerhalb von Kidal besucht, von ihr verschiedene alte Lieder gelernt und auch einige überlieferte Herstellungsweisen des Instrumentes, das aus einer Kalebasse, Ziegenleder und Pferdehaaren sowie einem weichen Holz gebaut wird.
Am 9.2.2011 durfte die neue Imzad-Schule bei einem Besuch des Staatspräsidenten auftreten und zwei Lieder spielen. Natürlich war dieser Auftritt noch nicht perfekt, aber er hat die Imzad-Schule überall in Kidal, aber auch in Bamako, der Hauptstadt von Mali, bekannt gemacht. Im Dezember 2013 hat die UNESCO die IMZAD, ihr Spiel und die mit dem Instrument verbundenen Kenntnisse und Praktiken als immaterielles Weltkulturerbe anerkannt.
Einsaitige Streichlaute imzad
Einsaitige Streichlaute imzad
Mauretanien 2012: Bibliothek „Ehel Taleb Mohamed“ in Tidjikja
Zu den bedeutendsten, indes weitgehend unbekannten Schätzen des kulturellen Erbes der Menschheit zählen die Jahrhunderte alten Bibliotheken in Westafrika. Legendär ist das Zentrum der Wissenschaften in Timbuktu (Mali). Aber welcher Europäer weiß, dass es allein in der mauretanischen Oase Tidjikja (gespr. Tidschikscha) neunzehn Bibliotheken mit kostbarsten Schätzen an arabischen Manuskripten gibt? Diese Oase im Zentrum der Sahara in Mauretanien liegt am Kreuzungspunkt mehrerer alter Karawanenwege und ist eine uralte wichtige Station im Trans-Sahara-Handel. 1660 wurde Tidjikja von einigen Familien gegründet, die die Oase Chinguetti im Norden des Landes verlassen hatten, selbstverständlich mitsamt ihren Besitztümern, also auch ihrem in Schriften dokumentierten Wissen. So war Tidjikja von Anfang an ein Zentrum arabisch-muslimischer Gelehrsamkeit. Das Bewusstsein dieser Gelehrtentradition ist bis heute bei den Bewohnern der Oase lebendig. Alle Familien haben ihre Bibliotheken sorgsam gehütet – trotz aller Schwierigkeiten in politisch stürmischen Zeiten. Dennoch sind viele dieser Bücherschätze vom Verfall bedroht, denn alle sind nach wie vor in Familienbesitz, und deren finanzielle Möglichkeiten sind begrenzt. Die älteste und bedeutendste Bibliothek von Tidjikja ist die Bibliothek „Ehel Taleb Mohamed“ von Lembrabott Ould Taleb Mohamed. Der Gelehrte ist zugleich Präsident der „Gesellschaft der Bibliotheksbesitzer und zum Kulturerhalt in Tidjikja“ (Ligue des détenteurs de manuscrits et de la protection du patrimoine à Tidjikja) sowie Präsident der Gesellschaft der Gelehrten von Tagant (Tagant ist der gesamte Regierungsbezirk), und er ist Imam der Elargoub Moschee. Es war sein direkter Vorfahr, Taleb Mohamed Ould Khlife Ould Taleb Ahmed Ould Edge El Hadj, der sein Wissen über islamisches Recht (Fighe) in Chinguetti gelehrt hatte, bevor er sich 1660 in Tidjikja niederließ und damit ein neues Zentrum begründete, in dem fortan die Traditionen des Rechts, der Gelehrsamkeit und überhaupt der Sitten des gesellschaftlichen Zusammenlebens weitergegeben wurden. Die Bibliothek, in der die Früchte dieser nunmehr Jahrhunderte alten Überlieferung gesammelt sind, umfasst mehr als 600 Manuskripte, Bücher, Schriftsätze, Gesetzestexte und alte Koranausgaben. Das älteste erhaltene Buch stammt aus dem 15. Jahrhundert und enthält Texte zu medizinischen Themen. Aus dem Reichtum dieser Bibliothek schöpften seit dem 17. Jahrhundert viele mauretanische Gelehrte ihr Wissen, darunter auch der berühmte Sidi Abdoullha Ould El Hadj Brahim. Teil der Sammlung, vor allem aus jüngerer Zeit, sind mehr als 20.000 Urkunden und Verträge, die die Stadt und ihr Umland betreffen und die Geschichte der ganzen Region beschreiben. Mit dem Engagement der Jutta Vogel Stiftung gab es nun zum ersten Mal Unterstützung für Schutz und Erhalt dieser Schätze. Vordringlich ging es darum, den gesamten Bestand gegen Sand, Staub, Regen und Termitenbefall zu schützen und Bücher, Manuskripte und Urkunden sachgerecht zu lagern. Dann erst kann die Bibliothek auch interessierten Benutzern zugänglich gemacht werden und somit diesen Fundus in Mauretanien und darüber hinaus angemessen bekannt machen. In diesem Sinn ist die Unterstützung der „Ehel Taleb Mohamed“- Privatbibliothek ein wichtiges Pilotprojekt. Denn in Tidjikja warten noch mehr Kulturschätze darauf, ans Licht gehoben zu werden.
Das älteste Buch
Das älteste Buch
Namibia 2011: Auf den Spuren der Urgeschichte Namibias
Das archäologisch ausgerichtete Projekt „Spätpleistozäne Jäger und Sammler im südlichen Namibia“ erforscht die Lebenswelten der wildbeuterischen Gemeinschaften während des so genannten Later Stone Age. Dieser kulturgeschichtliche Abschnitt umfasst die Zeit des extrem trockenen Letzten Glazialen Maximums (ca. 24.000-17.000 Jahre) bis heute. Die Träger dieser Kultur werden in der Regel als direkte Vorfahren der vor allem im 20. Jh. ethnographisch dokumentierten San-Bevölkerungen gesehen. Im Laufe von jahrzehntelangen Grabungs- und Aufnahmearbeiten – bei denen unter anderem die älteste Kunst Afrikas entdeckt wurde – erarbeitete der Archäologen Wolfgang Wendt eine umfangreiche aber gefährdete Sammlung zur Urgeschichte Namibias, die im Rahmen dieses Projektes erforscht und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.
Abschlussbericht zum Download hier.
Platte aus Apollo-Grotte
Platte aus Apollo-Grotte
Algerien Sahara 2011: Die Geschichte von Eharir (Tassili) und wie sie vor Ort in der Felskunst wahrgenommen wird - Analysen und Interpretationen aus ethno-archäologischer Sicht
Das Tassili Gebirge in Südalgerien gehört zum Welt-Kulturerbe besonders wegen seiner reichen Felskunst. Diese zeugt in zahlreichen großartiger Bilder von einer Zeit, als dort Weiden waren wo heute Wüste ist. Wie in den Malereien zu sehen ist, wurden dort vor vielen tausend Jahren Rinder geweidet – mit Bildern eines Lebens von Hirten, die den ansässigen Tuareg vollkommen vertraut vorkommen. Die Tuareg bezeichnen daher die Felsbilder mit demselben Begriff, wie ihre Schrift: Tifinaqh. Was aber wissen die alten Tuareg genau aus den Bildern zu lesen? Was sagen sie ihnen zum Leben der Rinderhirten vor dem großen Klimawandel? Issak Oukafi Cheikh ist nicht nur studierter Archäologe, sondern auch ein Tuareg aus dem Tassili Najjer. In einer ambitionierten Expedition begleitet er zu Fuß einen alten Mann zu den Weidegründen seiner Rinder weit im Bergland. Dabei wird immer wieder Halt an den Felsbildstellen am Weg gemacht und der alte Hirte – einer von wenigen in der Region, der Rinder hält – gibt zu Protokoll, was er aus den Bildern liest. Besonders interessant ist dabei die Frage, ob er in den Bildern Informationen zur Haltung von Rindern unter ariden Bedingungen finden kann.
Blick auf das Eharir Tal
Blick auf das Eharir Tal
Namibia 2010: Qualifizierung weiblicher Führer am Brandberg (Daureb)
Der Brandberg, vor Ort Dâureb genannt, zieht eine ständig wachsende Zahl von Touristen an, die vor allem zur Besichtigung der "Weißen Dame" anreisen. Aber auch zu anspruchsvollen Trekking-Touren in den oberen Bereich des Berges finden sich inzwischen jährlich hunderte Besucher ein. Mit der Einsetzung der Daureb Mountain Guides (DMG) durch den National Heritage Council wurde das Management der Touristenströme besonders im Bereich der „Weißen Dame“ in den letzten Jahren deutlich verbessert. Unter diesen Führern, alles junge Erwachsene aus dem nahe gelegenen Ort Uis, gibt es einige hoch qualifizierte weibliche Führer, doch hat noch keine von ihnen je den oberen Berg bestiegen – vornehmlich aus ungerechtfertigtem Respekt. Für das dort zu erzielende höhere Einkommen haben aber ihre männlichen Kollegen die dazu gehörigen Strapazen stets gern in Kauf genommen. Unter den hochaktuellen Schlagwörtern von „empowerment“ und „capacity building“ soll dies durch einen Lehrgang auf dem Berg geändert werden. Unter der Anleitung von Angula Shipahu, dem zweifellos besten Kenner des Berges, Marie-Theres Erz und Tilman Lenssen-Erz, sollen die Führerinnen sich all das aneignen, was eine gute Bergführerin ausmacht: das Spezialwissen über die oberen Regionen, vor Ort selbst erarbeitet, das Wissen über die überlebenswichtigen Wasserstellen oder gangbare Wege und Routen in dem weglosen Gebirge. Dazu kommen Kenntnisse über Kommunikationstechniken, Führungsprinzipien, Sicherheit, Gesundheit, Hygiene, Ökologie aber natürlich auch Archäologie, Felskunst und Naturkunde. Die Aneignung solch reichen Wissens im Zusammenspiel mit einer ebenso außergewöhnlichen wie anspruchsvollen körperlichen Erfahrung erhöht nicht nur die berufliche Qualifikation der jungen Frauen, sondern wird fraglos auch zur Stärkung ihres Selbstbewusstseins beitragen.
„Der Brennende“ in der Morgensonne
„Der Brennende“ in der Morgensonne
Namibia 2010: Kulturerhalt der San / Kalahari-Wüste
Überall in der Welt kennt man die San-Jäger und Sammler im südlichen Afrika; man kennt sie als zierliche, geschmeidige Menschen, die einst ihr Wasser in Straußeneischalen transportierten, große Antilopen aufspürten und Pfeilgift benutzten, das sie aus Käferlarven gewannen. Die San entwickelten Lebensformen, mit denen sie sich bestens anpassten an die Trockenzonen in Südafrika, Botswana, Zimbabwe, Angola und Namibia, einschließlich der Kalahari- und der Namibwüste. Archäologische Forschungen zeigen, dass die Kalahari-Bewohner bis in jüngste Zeit von wilder Nahrung lebten und so über Jahrtausende das ökologische Gleichgewicht bewahrten in einer Umwelt, die es heute kaum noch gibt. Die San lebten in kleinen, weit verstreuten Gruppen, deren Zahl genau zugeschnitten war auf das jeweilige Gebiet und seine Ressourcen. Zu denen zählte eine Vielzahl großer und kleiner Tiere ebenso wie Baumfrüchte, Nüsse, Beeren, Wurzeln und die sogenannte Tsama-Melone, die „Mutter“ der gezüchteten Wassermelone.
Ein Projekt, das die Jutta Vogel Stiftung in den Jahren 2009 und 2010 unterstützt, soll nun helfen, die vom Untergang bedrohte Kultur der San zu erhalten und an die jüngere Generation weiterzugeben. Das Material, das dafür zusammengetragen werden muss, umfasst alte Erzähltraditionen, aber auch aktuelle mündliche Überlieferung, etwa auf dem Gebiet der Heilkunst; zu dieser Überlieferung zählen nicht minder die politischen Forderungen der San, die sie im Zusammenhang mit der Unabhängigkeit Namibias (1990) erhoben. Gesammelt wird dies alles von eigens dafür ausgebildeten jungen San, die Tonbandgerät und Videokamera nutzen, um in ihrem eigenen Umfeld ältere Familien- und Gruppenmitglieder zu befragen. Einige von diesen Älteren sind ganz besonders geachtet als Heiler, die ihre Kunst mündlich weitergeben und vor allem seelische Leiden behandeln, etwa durch Handauflegen oder indem sie Menschen in andere Bewusstseinszustände führen. Wieder andere nehmen Führungspositionen im gesellschaftlichen Leben ihrer Gemeinschaft ein; ihre Erinnerungen sind von Bedeutung, um den politischen Prozess zu verstehen, in dem die San Bürger des modernen Staates Namibia geworden sind. Die Leitung dieses umfangreichen Projekts liegt in den Händen von Megan Biesele. Sie ist Director of the Kalahari Peoples Fund (KPF). Megan Biesele ist Anthropologin und Ethnologin. Schon seit 39 Jahren gilt ihre Arbeit den Ju/’hoan (Bushman) und ihrer Sprache Khoisan, der sogenannten „click“-Sprache, die im Nordosten Namibias und im Nordwesten Botswanas gesprochen wird. Die schon erwähnten San-Mitarbeiter und -Mitarbeiterinnen übertragen die Tonbandaufzeichnungen in Schriftform und übersetzen sie auch aus dem Ju/’hoan (gesprochen“Ju-twan“) ins Englische. Die auf diese Weise entstehende komplexe Sammlung der San-Kultur wird ermöglichen, dass die jungen San sich ihres eigenen kulturellen Erbes bewusst bleiben. Dessen Wurzeln reichen, wie archäologische Funde belegen, mindestens 40.000, vielleicht sogar 75.000 Jahre zurück – eine Zeitspanne, in der die Menschen auf fast gleiche Weise gelebt haben wie die Ju/’hoan bis in jüngste Zeit. Inzwischen haben viele San erkannt, wie wichtig es ist, dass ihre Kinder in den ersten drei Grundschuljahren ihre Muttersprache sprechen und mit der eigenen Tradition vertraut gemacht werden. Nur so sind sie in der Lage, auch ihre literarische Tradition zu sichern und fortzuführen; denn zur Zeit sind es nur noch ungefähr 17.000 Menschen in Namibia und Botswana, die Ju/’hoan sprechen – eine Sprache, die also in ihrer Existenz massiv bedroht ist. Immerhin gibt es seit der Unabhängigkeit Namibias das Village School Project (VSP), das zu deren Erhalt beiträgt und damit zugleich den San eine gleichberechtigte Stellung in der namibischen Gesellschaft garantieren soll.
Weitere Infos: www.kalaharipeoples.org
Abschlussbericht zum Download hier
Eine San-Frau bei der Tonbandaufnahme
Eine San-Frau bei der Tonbandaufnahme
Sahara 2010: Das gesammelte Wissen der Tuareg (Lexikon in zwei Bänden)
Hans Ritter:
Wörterbuch zur Sprache und Kultur der Twareg (Alqamus Talmant – Tamahaq – Tamashaq – Tamajeq)
Band 1: Twareg – Französisch – Deutsch: Elementarwörterbuch mit einer Einführung in Kultur, Sprache, Schrift und Dialektverteilung
Band 2: Deutsch – Twareg: Erweitertes Wörterbuch der Twareg-Hauptdialekte mit einer Darstellung von Phonologie, Grammatik und Verbalsystem sowie kommentierter Bibliographie in Zusammenarbeit mit Karl-G. Prasse
Trotz vielfältiger Studien über die Twareg fehlte bisher ein allgemein verwendbares überregionales Wörterbuch. Hans Ritter, Tropenmediziner und Ethnologe, legt nun ein zweibändiges Lexikon der heute in Algerien, Libyen, Niger, Mali und Burkina-Faso gesprochenen Dialekte vor.
Entstanden sind zwei einander ergänzende, jedoch prinzipiell eigenständige Wörterbücher mit unterschiedlicher Struktur und Gewichtung. Das eine ist der grundlegende dreisprachige Band „Twareg – Französisch – Deutsch“, das andere das erweiterte zweisprachige Wörterbuch „Deutsch – Twareg“.
Band 1 enthält neben dem dreisprachigen Vokabularteil ausführliche tabellarische Aufstellungen zur Dialektverteilung sowie Transkription der Twareg-Schrift (Tifinagh), Beiträge zur Sprach- und Schriftgeschichte, der traditionellen Zeitrechnung, Jahreschroniken, Zahlensystem, Poesie und Musik. Der materielle Besitz der traditionellen Nomadenkultur – Gerätschaften, Werkzeug und Schmuck – wird anhand von erklärenden Grafiken dargestellt.
Band 2 bietet einen erweiterten und detailliert ausgearbeiteten Wortschatz mit dialektübergreifenden Einträgen aus allen Haupt- und vielen Nebendialekten, außerdem zahlreiche verwandte Begriffe aus den wichtigsten Kontaktsprachen: Arabisch, Hassaniya, Hausa und Songhay. Zu den thematischen Schwerpunkten gehören über den allgemeinen Wortschatz hinaus besonders die Definitionen von Pflanzen und Tieren, von Werk- und Nahrungsstoffen, Schmuck und Gerät- schaften. Neben den Begriffen zum Handels- und Wirtschaftsleben, zu Zeitrechnung, Orientierung und den Namen der Sterne sind vor allem traditionelle Medizin und Heilmittel verzeichnet. Systematische Quellennachweise und bibliographische Angaben vervollständigen diese weitgefächerte Sprachdokumentation. Das Lexikon richtet sich ebenso an Wissenschaftler – Ethnologen, Berberologen, Afrikanisten – wie an Entwicklungshelfer sowie an der Twareg-Kultur interessierte Laien.
Band 1: 1130 Seiten, 419 Abb.,
ISBN 978-3-447-05886-5
€ 128,- (D) / sFr 217,-
Band 2: 1154 Seiten,
ISBN 978-3-447-05887-2
€ 148,- (D) / sFr 250,-
Komplettpreis: € 228,- (D) / sFr 387,-
Ab Juli 2009 im Buchhandel und beim HARRASSOWITZ Verlag, Wiesbaden (www.harrassowitz-verlag.de)
Tuareg in der Wüste
Tuareg in der Wüste
Köln 2009: Rettung der Tuareg-Kultur – Präsenz im Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt
Die Jutta Vogel Stiftung trug 2009 zum Erhalt und Vermittlung der vom Aussterben bedrohten Tuareg-Kultur durch einen umfangreichen Ankauf von Objekten der Alltagskultur bei. Diese werden von September 2009 an im neuen Rautenstrauch- Joest-Museum – Kulturen der Welt in Köln ausgestellt. Es handelt sich dabei, neben einer eindrucksvollen Korantafel, um Kleidungsstücke, Wohntextilien, Teegeschirr und Schmuck, der immer weniger täglich im Gebrauch der Tuareg-Familien ist. Der Tourismus ist inzwischen ein wichtiger Erwerbszweig geworden. Der nach traditionellen Vorbildern gefertigte Schmuck ist Teil des Kunsthandwerks, das für den wachsenden Tourismus immer mehr Bedeutung erlangt. Das neue Gestaltungskonzept des RJM, als eines „Hauses der Kulturen der Welt“, präsentiert die Bestände nicht mehr geografisch und chronologisch, sondern nach den Lebensformen der Menschen. So begegnen die Besucher den als Nomaden lebenden Tuareg im Umfeld der „Menschlichen Behausung“. Die Behausung der Tuareg ist das Zelt. Zwei bis sieben Zelte bieten Platz für die eng verbundenen Großfamilien. Während der Regenzeit können aufgrund der dann besseren Weidebedingungen aber auch „Dörfer“ mit zeitweise bis zu zwanzig Zelten entstehen. Nach wie vor spielt sich dieses Leben unter denkbar kargen Bedingungen ab, die die Menschen zwingen, weite Wanderstrecken zurückzulegen, um genug Futter für das Vieh zu finden. Indes haben sich die Tuareg meisterhaft an diese Bedingungen angepasst, indem sie nicht allein von ihren Herden gelebt haben; vielmehr haben sie durch Jahrhunderte schon den Transsaharahandel zwischen Westafrika und dem Mittelmeerraum durch ihre Karawanen mit Kamelen dominiert, die heute zum Teil durch LKWs ersetzt werden. Alle diese Facetten des Lebens der Tuareg spiegelt das originale Tuareg-Zelt im künftigen Rautenstrauch-Joest-Museum - Kulturen der Welt: es sind die Alltagsgüter präsent sowie notwendige Utensilien zum Kochen, Essen, Schlafen, aber ebenso jene Gegenstände, die für besondere Anlässe vom geselligen Beisammensein bis zu den Ritualen im Umgang mit dem Tod benutzt werden. Der längst auch bei uns hochgeschätzte Schmuck besitzt für die Tuareg nicht nur ästhetischen Wert, sondern er ist ebenso eine „transportable Kapitalanlage“. Nicht zuletzt kommt aber auch Schmuckstücken die Kraft zu, vor übernatürlichen Mächten und vor Gefahren zu schützen. Von alledem werden die rund siebzig Objekte, die mit Unterstützung der Jutta Vogel Stiftung für das RJM erworben wurden, ein aussagekräftiges Zeugnis sein.
Zierschlüssel
Zierschlüssel
Niger 2009: Instandsetzung des Heinrich-Barth-Hauses in Agadez
Während seiner Expedition in den Jahren 1850 bis 1855 war Agadez eine wichtige Station für den deutschen Afrikaforscher, der von hier zur Erkundung des Tschad-Sees aufbrach. Zuvor wohnte er einige Zeit im Haus seines Fremdenführers. Dessen Nachkommen leben noch heute dort und bewahren die Erinnerung an Heinrich Barth. Es beherbergt noch einige Objekte aus Barths Besitz, darunter die Reisekisten, die alles enthielten, was er auf dem Weg durch die libysche Wüste benötigt und gesammelt hatte. Obgleich die Eigentümer des Hauses die Gegenstände sorgfältig hüteten und vor einigen Jahren einen Teil der Räume mit großzügiger Hilfe der Deutschen Botschaft als Museum herrichteten, bedarf der traditionelle Lehmbau inzwischen dringend der Sanierung. Um künftig einen regelrechten kleinen Museumsbetrieb zu ermöglichen, der auch das Auskommen der Familie sichert, wird das Haus jetzt von Grund auf instandgesetzt und mit Elektrizität ausgestattet. Ein wichtiges Element dieser Sanierung ist es, alle Arbeiten mit ortsansässigen Handwerkern auszuführen und die Objekte in Zusammenarbeit mit einem nigrischen Konservator vom Museum in Niamey zu restaurieren. Die Leitung liegt in den Händen von Prof. Dr. Klaus Schneider, Direktor des Rautenstrauch-Joest-Museums - Kulturen der Welt in Köln und Präsident der Heinrich-Barth-Gesellschaft. Entsprechend den Zielen der Stiftung soll das Heinrich-Barth-Haus - eingebunden in touristische Konzepte und in Kooperation mit den Schulen in Agadez - der Erhaltung des kulturellen Erbes und dem Dialog der Kulturen dienen. Vom Sultan in Agadez wurde das Projekt mit großer Freude aufgenommen. Das kleine Museum liegt in der historischen Altstadt von Agadez, die im Juni 2013 von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt wurde.
Vor dem Heinrich-Barth-Haus
Vor dem Heinrich-Barth-Haus
Namibia 2009: Daureb/Brandberg – Felsbildprojekt „Dom Schlucht“
Der Daureb – zu Deutsch: Brandberg – in Namibia, am Rand der Namib-Wüste, ist weltberühmt durch seine Zehntausende von Felsmalereien, darunter auch das wohl bekannteste Felsbild Afrikas, die sogenannte „Weiße Dame“. Nun ist prähistorische Felskunst ein weltweites Phänomen, das zudem eine Geschichte von mehreren zehntausend Jahren hat. Entsprechend vielfältig sind daher Formen und Orte, mit denen Felskunst verbunden ist. Allen gemeinsam jedoch ist ein Prinzip, das fast immer und überall zutrifft: die beiden grundlegenden Techniken für die Herstellung der Bilder sind von den prähistorischen Künstlern nicht vermischt worden. Entweder bedienten sie sich der Malerei mit einer oder mehreren Farben, oder sie nutzten die Felsoberfläche zum Gravieren durch Picken, Ritzen oder Schleifen. Offenbar war die Benutzung der einen oder der anderen Technik eine „Grundsatzentscheidung“. Allerdings gibt es einige wenige Ausnahmen, wo beide Techniken zusammen oder sogar einander überlagernd auftreten. Solche Fundstellen erregen natürlich das besondere Interesse der Wissenschaft. Eine davon findet sich im Daureb. Es handelt sich um die kleine, sehr begrenzte Dom Schlucht, die noch weitgehend unerforscht ist und die nun die Chance bietet, dem Verhältnis von Malern und Gravierern auf die Spur zu kommen. Mit der Zunahme des Tourismus im Daureb, der für die Entwicklung der Region ja erwünscht ist, muss aber gerade für einen solchen Schatz ein ganzes Bündel von Maßnahmen vorbereitet werden, um ihn vor Zerstörung zu schützen und ihn eines Tages auch zugänglich zu machen. Genau darum geht es bei dem neuen Projekt. Der erste Schritt, beginnend mit der wissenschaftlichen Erforschung, ist ein Managementplan als Bestandteil des Verfahrens, mit dem der gesamte Daureb zum Weltkulturerbe der UNESCO erklärt werden soll. Von Beginn an sollen dabei möglichst viele einheimische Kräfte mitwirken. An der Erforschung von Felskunst und Archäologie der Dom Schlucht, die von Tilman Lenssen-Erz (Forschungsstelle Afrika am Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität zu Köln) und von Goodman Gwasira (University of Namibia) betrieben wird, werden Studenten der University of Namibia beteiligt sein. Eingebunden werden aber die ansässigen Touristenführer; denn Teil des Projekts sind auch Bewertungen und Empfehlungen zur Infrastruktur mit Zugangswegen, Campingmöglichkeiten, Wasserversorgung etc., um einen gedeihlichen Tourismus zu ermöglichen. Dies geschieht in enger Abstimmung mit dem National Heritage Council, dem National Museum und dem History Department der University of Namibia. Alle wissenschaftlichen Erkenntnisse werden der Welterbe-Kommission übergeben, ebenso die Begutachtung für die touristische Erschließung. Dieses Gesamtpaket soll garantieren, dass der Reichtum der Felskunst vielen Besuchern zugänglich wird, ohne den Fundort Daureb/Brandberg und seine künftige Erforschung zu gefährden.
Abschlussbericht zum Download hier
Filmbericht zur Ansicht hier
Fries der „Weißen Dame“
Fries der „Weißen Dame“
Mali 2009: Traditionelle Musik aus der Wüstenregion Gao / Menaka
Wer von Bamako, der Hauptstadt Malis, nach Gao fahren will, macht sich auf eine lange Reise: nach Osten über Segou, das Zentrum des ehemaligen Bambara-Reichs, vorbei an Djenné mit seiner weltberühmten Moschee geht es über Mopti in den Südteil der Sahara. Die beeindruckenden Hombori-Berge sind passiert, die Fähre setzt über den Niger – hier liegt Gao. Gao hat über 52.000 Einwohner und ist Hauptort der Region Gao. Als Knotenpunkt wichtiger Handelsstraßen entwickelte sich die Stadt im 15. Jahrhundert zu einem Zentrum des Transsaharahandels. Sie war Hauptstadt des Reiches der Songhai, des ältesten schwarz-afrikanischen Volkes in Mali. In einer Kooperation mit dem Nationalmuseum in Bamako hat die Musikethnologin Dr. Edda Brandes in den 90er Jahren eine Dokumentation der traditionellen malischen Musik durchgeführt. Aus dieser Sammlung stammen die Musikaufnahmen aus der Region Gao/Menaka, die jetzt mit Unterstützung der Jutta Vogel Stiftung als CDs veröffentlicht werden. Das Projekt hat das Ziel, die lokale musikalische Tradition zu erhalten. Zu diesem Zweck werden 250 CDs in die Museen und Bibliotheken des Landes gebracht. Neben Touristen werden diese Örtlichkeiten häufig von Lehrern mit Schulklassen und Studenten besucht, so dass die Verbreitung der CDs an diesen Standorten besonders den Einheimischen dient. Die Stiftung unterstützt neben der Produktion der Musik-CD auch die Bereitstellung von drei sog. Abhörstationen für das Nationalmuseum in Bamako, das Sahelmuseum in Gao und eine Bibliothek in Menaka. Der Bevölkerung wird so ihr musikalisches Erbe zugänglich gemacht und mit einer angepassten Technologie in der Region verbreitet. Auch an diesen Standorten werden die CDs hinterlassen. Hier, in der Süd-Sahara, nahe den Grenzen zu Niger und Algerien, leben neben Mauren und Songhai die Tuareg und Bella. Jede Ethnie hat ihr eigenes musikalisches Repertoire, ihre charakteristischen Musikinstrumente und Lieder, deren Vielfalt die CD wiedergibt: Musik der Handwerkskasten, der Fleischer, Maurer und Schuster erklingt ebenso wie die Flötenmusik der Hirten, die Lauten und Wassertrommeln zur Heilung der von den Geistern verursachten Krankheiten ebenso wie die einsaitige Geige der Frauen zum Fest der ersten Mutterschaft. Die Vokalmusik nimmt mit den langen, vertonten Gedichten den bedeutendsten Platz ein. Wenn die besten Sängerinnen und Sänger sich um den Getreide-Mörser tindé versammeln, der als Trommel dient, weben sie mit ihrem melodischen Gesang und dem rhythmischen Händeklatschen einen musikalisch dichten Teppich.
Spieler der Laute tehardent
Spieler der Laute tehardent
Namibia 2009: Brandberg-Traditionen - Lokales Wissen, Geschichten, Namen
Im Norden Namibias haben in mehr als 40 Jahren Harald Pager und später Tilman Lenssen-Erz und Marie-Theres Erz die bis zu 30.000 Jahre alten Felsbilder des Brandbergs dokumentiert und veröffentlicht. Nach Abschluss wird die gesamte Dokumentation an den Staat Namibia übergeben. Jetzt erfährt das Projekt Brandberg eine neue Facette: Auf der Grundlage mündlicher Überlieferungen soll das gesamte lokale Wissen über den Brandberg gesammelt werden, d.h. die naturkundlichen Kenntnisse ebenso wie die geschichtlichen. Konzentriert wird die Sammlung in und um Uis, einem Dorf nahe beim Brandberg. Einheimische, die z.T. schon als Helfer beim Felsbildprojekt beteiligt waren, werden - organisiert in der Körperschaft "Tsiseb Conservatory" - in dem neuen Projekt zusammen arbeiten. Damit werden zum ersten Mal nicht Europäer oder Nordamerikaner den "Daureb" (oder "Daures"), wie der Berg in der Damara-Sprache heißt, erkunden, sondern Afrikaner erforschen ihre angestammte Umwelt selbst. Wie wichtig dabei die Berücksichtigung der Sprache ist, beweist z.B. der Name des Berggipfels: "Ganibeb" bedeutet "Honigberg" und zeigt an, wo die Bewohner früher ihren Honig holten. Die Kenntnisse, die in solchen Namen und Erzählungen stecken, verschwinden mit den alten Menschen, weil die jungen mit dem Berg nicht mehr in traditioneller Weise leben. Mit den Kenntnissen über Pflanzen und Tiere, über Jagd und Rohstoffgewinnung gehen dann auch jene über die dazu gehörenden Zeremonien und Rituale verloren. Etwa ein Jahr soll das Projekt dauern. Die Ergebnisse werden in einer Broschüre zweisprachig, in Damara und Englisch, publiziert. Damit erfährt die Erforschung der Felsbilder des Brandbergs wesentliche Ergänzungen. Vor allem aber wird dieses gesammelte Wissen weitervermittelt werden können: an Schüler sowie künftige Bergführer für einen umweltfreundlichen Tourismus. Die Besucher des Brandbergs werden mit sachkundigen Begleitern dann zum Kulturerhalt in dieser Region beitragen.
www.fits-training.de
Qualifizierung in Tourismus-Projekten ländlicher Gemeinden. Ein Trainingsprogramm von Marie-Theres Erz.
Ohrenschlange und Gestalten
Ohrenschlange und Gestalten
Mauretanien 2008: Unterstützung für das Museum in Touezekt
Die kleine Oase Touezekt liegt in der nordöstlichen mauretanischen Sahara in unmittelbarer Nähe der Provinzhauptstadt Atar, die wiederum rund 500 km von der Landeshauptstadt Nouakchott am Atlantik entfernt ist. Atar besitzt einen Flughafen und ist daher für die meisten Touristen der Ausgangspunkt für ihre Reise zur berühmten Wüstenstadt Chinguetti. An Touezekt führt der Weg meist vorbei. Gerade dort aber hat El Khalil Sidi Dah ein kleines Museum eröffnet. In diesem Museum dokumentiert er das reiche kulturelle Erbe Mauretaniens. Von Hause aus ist der Museumsgründer Kaufmann; später bildete er sich zum Archäologen aus, um die zahlreichen archäologischen Fundstätten dieser Gegend fachkundig erforschen und schützen zu können, weil diese immer wieder von Einheimischen wie von Touristen geplündert und zerstört werden. Inzwischen hat El Khalil Sidi Dah rund 4.000 archäologische Objekte geborgen: Pfeilspitzen, Feuersteingeräte, steinerne Mörser und Keramik seit dem Neolithikum (ca. 6.000 v. Chr.) bis in jüngste Zeit. Seine Sammlung umfasst kostbare historische Bücher und Manuskripte, sowie Relikte der kolonialen Vergangenheit und Zeugnisse der heimischen Stammesgesellschaften. Alles in allem dokumentiert dieses außergewöhnliche, allein persönlichem Engagement zu dankende Privatmuseum 8.000 Jahre Menschheitsgeschichte. Um der einheimischen Bevölkerung ebenso wie den Touristen, die aus Europa kommen, ein Bewusstsein für diese historische Dimension zu vermitteln und auf diese Weise für den Schutz der noch unerforschten archäologischen Stätten zu werben, muss das Museum über die Oase Touezekt hinaus bekannt gemacht werden. Unterstützung dafür bietet die Jutta Vogel Stiftung, indem sie u.a. die notwendigen Hinweisschilder finanziert, die an wichtigen Verkehrspunkten aufgestellt werden sollen. Außerdem hilft sie bei der Herstellung eines Informationsblattes in arabischer und französischer Sprache.
Archäologische Fundstücke
Archäologische Fundstücke
Algerien 2008: Rettung der Tuareg-Kultur in der algerischen Sahara
Die Tuareg, das legendäre Wüstenvolk, erfahren einen kulturellen Wandel, da auch bei ihnen die Moderne Einzug gehalten hat und sie teilweise ihr Nomadentum aufgegeben haben. Ihre Jahrhunderte alte Kultur ist vom Aussterben bedroht. Das gilt auch für das Spiel auf der Imzad, der einsaitigen Geige der Tuareg. Die Imzad besteht aus einer halben Kalebasse, überzogen mit Ziegenleder, die häufig mit Ornamenten oder den Tifînagh-Schriftzeichen der Tuareg bemalt ist. Die Saite besteht ebenso aus dem Haar des Pferdeschweifs ebenso wie die Bespannung des Bogens.
Die Imzad wird ausschließlich von Frauen gespielt, die den Gesang eines oder zweier Männer begleiten. Sie singen Gedichte auf Tamâhaq, der Sprache der Tuareg, die von der Liebe, den großen Schlachten der Vergangenheit, dem Nomadenleben, der Schönheit der Wüste usw. erzählen. Derzeit spielen im ganzen Hoggar-Gebirge in Südalgerien nur noch sieben alte Frauen die Imzad, während früher nahezu jedes Mädchen dieses Instrument beherrschte. Die Tuareg-Frau nimmt einen wichtigen Platz in der Tuareg-Gesellschaft ein. Die Mütter waren es, die ihren Töchtern das Imzad-Spiel und die Tifînagh-Schrift beibrachten. Die traditionelle Imzad-Musik ist ein bedeutender Teil der Tuareg-Kultur. Sie zu neuem Leben zu erwecken, bedeutet auch, sie für kommende Generationen zu erhalten. Damit einher geht auch eine Wiederaufwertung der Stellung der Frau. 2003 wurde in Tamanrasset der Verein "Sauver l'Imzad" (Rettet die Imzad) gegründet mit dem Ziel, die Tuareg-Kultur im Hoggar zu erhalten. Dazu gehört auch die Gründung einer Schule, an der junge Tuareg-Frauen das Imzad-Spiel und gleichzeitig den Bau dieses Musikinstruments erlernen. Außerdem wird an dieser Schule die Tifînagh-Schrift gelehrt. Zum Unterrichtsprogramm gehören weitere Aspekte der Tuareg-Kultur und -Geschichte, Kurse über Ursprung und Entwicklung der Imzad, über Poesie und Gesänge zur Imzad, aber auch Computerkurse. Ein wichtiges Ziel ist ebenfalls, die Herstellung der Imzad und anderer Tuareg-Produkte in Heimarbeit zu fördern. Das geplante Kulturzentrum "Dar el Imzad" in Tamanrasset beherbergt künftig die Imzad-Schule mit allen Kursen wie auch eine Mediathek, in der die Imzad-, Poesie- und Gesangs- dokumentationen archiviert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die Jutta Vogel Stiftung finanziert einen Dokumentarfilm über die Imzad sowie Tonaufnahmen von Imzad-Musik und Tamâhaq-Gedichten und leistet so einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Tuareg-Kultur.
Weitere Informationen über "Sauver l'Imzad" finden Sie unter: www.imzadanzad.com
Imzad-Spielerin aus dem Hoggar
Imzad-Spielerin aus dem Hoggar
Namibia 2008: Familiengeschichten in Fransfontein
Sogenannte "ethnische Konflikte" sind auch in Afrika häufig keine, sondern sie werden von jeweils interessierten Machthabern unter diesem Etikett geschürt. Dieses Bewusstsein durch wissenschaftliche Recherche zu untermauern und deren Ergebnisse der Bevölkerung zugänglich zu machen, ist Ziel des aktuellen Projekts "Familiengeschichten in Fransfontein", das von Dr. Michael Schnegg und Dr. Julia Pauli (Institut für Völkerkunde, Universität zu Köln) geleitet wird. Ein Mittel der Forschung ist die Genealogie. Exemplarisch lässt sich mit ihrer Hilfe die Geschichte eines Ortes, einer Region entschlüsseln. Das ist in diesem Fall das Dorf Fransfontein im Nordwesten Namibias. Seit mehr als hundert Jahren leben dort Menschen, die durch Migration oder Vertreibung aus anderen Gebieten hierher verschlagen wurden. An den Geschichten der Familien lässt sich klar ablesen, dass sie keineswegs "ethnisch unter sich" blieben: die meisten Bewohner heute haben Vorfahren aus zwei oder drei Ethnien. Das hat sich längst vielfach im Alltag niedergeschlagen. Deshalb gilt das Interesse der Wissenschaftler besonders den Bräuchen, z.B. Hochzeitsbräuchen, sowie religiösen Ritualen. Nicht minder aufschlussreich sind die Entwicklungen in Sprache und Sprachgebrauch. Die Ergebnisse aus diesen Forschungen sollen der Bevölkerung so zugänglich gemacht werden, dass sie mit bereits vorhandenen lokalen Geschichtsinitiativen zu verbinden sind. Das gewonnene Bild- und Tonmaterial sowie alle anderen Aufzeichnungen werden in Formen publiziert, die nicht zuletzt im Schulunterricht in der Region zu nutzen sind. Damit kann dieses Projekt zur Festigung der multiethnischen Identität beitragen.
Gedruckt wurde eine Broschüre, die auf der Projekt-Homepage www.fransfontein.org bestellt werden kann.
Eine Familie wartet auf den morgendlichen Tee
Eine Familie wartet auf den morgendlichen Tee
Namibia 2007: Apollo 11. Die Kultur des frühen modernen Menschen in Afrika - Chancen für eine neue Chronologie
Vor rund 27.000 Jahren zeichnete ein Bewohner einer Höhle in den Hunsbergen im Südwesten Namibias Tiere auf einige etwa handgroße Steinplatten. Zusammen mit Steinwerkzeugen, Tierknochen und Asche aus Feuerstellen wurden die Malereien später von Sediment und den Hinterlassenschaften nachfolgender Besiedlungen überdeckt. Was aber hat dieser Fund mit Raumfahrt zu tun? Am 24. Juli 1969 erreichte den Archäologen W.E. Wendt während der Ausgrabungen in einer bis dahin namenlosen Grotte die Nachricht der geglückten Rückkehr der Apollo 11- Raumfähre. Spontan gab er der Fundstelle den Namen „Apollo 11“, nicht ahnend, dass er hier eine sensationelle Entdeckung machen sollte. Die Grabung lieferte eine mehr als 100.000 Jahre umfassende Abfolge von Siedlungsschichten. Kein anderer Fundort des Landes spiegelt die prähistorische Vergangenheit Namibias vollständiger wider. Herausragend aber ist der Fund bemalter Platten, deren Alter durch die Radiokarbon-Methode auf 26.000 bis 28.000 Jahre bestimmt werden konnte. Damit sind diese Zeichnungen nicht allein die ältesten Kunstwerke Afrikas, sondern sie gehören zu den frühesten Belegen künstlerischen Schaffens weltweit. Gefunden wurden die Zeichnungen in der jüngsten Fundschicht des „Middle Stone Age“ der Höhle Apollo 11. Das „Middle Stone Age“ beginnt in Afrika vor fast 200.000 Jahren, zeitgleich mit dem frühesten Auftreten des modernen Homo sapiens dort, während auf der Nordhalbkugel noch für einige Jahrtausende Eiszeit herrschte. Es ist eine Epoche zahlreicher Innovationen wie Fischfang, Verwendung von Farbpigmenten und Herstellung von Knochenwerkzeugen. Aufgrund des ersten Auftretens von Kunst und Schmuck – als Ausdruck symbolischen Handelns – wird auch der Beginn „modernen“ Verhaltens während des „Middle Stone Age“ diskutiert. Es ist somit einer der wichtigsten Abschnitte der Menschheitsgeschichte. Dennoch wissen wir vergleichsweise wenig über diese Periode. Nur wenige Fundstellen wurden nach heutigem Standard ausgegraben, und lange Zeit fehlten geeignete Datierungsmethoden für die älteren Phasen des „Middle Stone Age“. Inzwischen haben sich neue Datierungsverfahren (Elektronenspin- Resonanz und Optisch Stimulierte Lumineszenz) etabliert, die diese Lücke schließen. Aus diesem Grund möchte der Archäologe Dr. Ralf Vogelsang von der Forschungsstelle Afrika des Instituts für Ur- und Frühgeschichte an der Universität zu Köln die Fundstelle erneut aufsuchen. Das Hauptziel ist dabei die Entnahme von Datierungsproben. In Kombination mit verfeinerten Ausgrabungsmethoden und modernen Ansätzen bei der Auswertung der Funde verspricht die erstmals sichere zeitliche Einordnung der Kulturschichten neue Erkenntnisse über eine Zeit, in der wir alle unsere Wurzeln haben.
Bemalte Platten
Bemalte Platten
Sudan 2004: Rettungsarchäologie am Vierten Nilkatarakt / Sudan
Mit Hilfe der Anschubfinanzierung durch die Jutta Vogel Stiftung konnte im Frühjahr 2004 die erste wissenschaftliche Erkundung gestartet werden, um den bisher am wenigsten bekannten Nilabschnitt zu erforschen: das Gebiet des Vierten Katarakts im Nordsudan. Der Anlass ist der Plan der Regierung in Khartum, zur Energiegewinnung bis zum Jahr 2008 einen riesigen Staudamm zu errichten, vor dem sich ein 170 km langer See erstrecken soll. Die Wasser des Nils werden dann mit den Feldern und Gärten der hier ansässigen Manasir auch Tausende archäologischer Fundstellen von der Altsteinzeit bis hin zum erst christlichen, danach islamischen Mittelalter und der Neuzeit überflutet haben. Damit geht ein reicher Schatz an ur- und frühgeschichtlichen Siedlungen, Gräbern und Felsbildern ebenso verloren wie das letzte auf intensiver Bewässerung beruhende Landwirtschaftssystem einer Kataraktzone in der Wüste. Das Projekt unter Leitung von Dr. Hans-Peter Wotzka gilt der Erforschung eines Gebiets, das mit ca. 40 km² das größte Gebiet der künftig im Stausee versinkenden Nilinseln umfasst, außerdem den rechten Uferabschnitt auf dieser Höhe. Damit ist die Forschungsstelle Afrika des Instituts für Ur- und Frühgeschichte an der Universität zu Köln Teil eines internationalen Rettungsprogramms, zu dem der sudanesische Antikendienst alle Forschungsgruppen und -institutionen aufgerufen hat, die seit Jahren im Land tätig sind. Nach der ersten Unterstützung durch die Jutta Vogel Stiftung hat inzwischen die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ein auf drei Jahre angelegtes Projekt genehmigt. Dieses läuft unter dem Dach des Sonderforschungsbereich "Kultur- und Landschaftswandel im ariden Afrika", in dem Wissenschaftler aus Köln seit 1995 in verschiedenen Regionen Afrikas arbeiten. Erste Ergebnisse der Prospektion liegen bereits in Gestalt von 210 neu entdeckten archäologischen Fundstellen vor. An deren Ausgrabung und weiterer Bearbeitung werden Prähistoriker, Archäologen, Geographen und Ägyptologen beteiligt sein, um die letzte Chance zu nutzen, diesen von der Urgeschichte bis heute von Menschen bewohnten besonderen "Gunstraum" zu erschließen. Die Aussicht erscheint realistisch, mehr über den Naturraum und die Art und Weise zu erfahren, in der Menschen ihn für sich genutzt haben. Bislang wissen wir über dieses Gebiet des Vierten Katarakts sehr wenig, obwohl im zweiten vorchristlichen Jahrtausend das nubische Königreich Kerma und später das Staatsgebiet der Pharaonen die direkten Nachbarn waren. Eines Tages soll ein archäologisch-ethnographisches Museum in El-Mutaga bei Debba die Forschungsergebnisse aller internationalen Arbeitsgruppen für die Öffentlichkeit zugänglich machen.
Auf dem Nil: Ruderboot als Verkehrsmittel
Auf dem Nil: Ruderboot als Verkehrsmittel