Die Sprache der Khwe ist die am besten dokumentierte aller San-Sprachen. Es gibt ein Wörterbuch und eine Grammatik (Kilian-Hatz 2003, 2008) sowie eine große Zahl von Publikationen originalsprachlicher Texte (Boden 2014, 2024; Brenzinger 1999a, 1999b; Heine 1997; Kilian-Hatz 1997, 1999, Köhler 1989, 1991, 1997, 2018, 2021a, 2021b, 2021c). Derzeit können jedoch nur weniger als eine Handvoll Khwe diese originalsprachlichen Texte lesen und in ihrer eigenen Sprache schreiben.
Dieses geförderte Projekt reagiert auf einen ausdrücklichen Wunsch von Khwe, die im März 2024 an einem Workshop teilgenommen haben, bei dem es um die gemeinsame Erforschung der Khwe-Sammlung im Oswin-Köhler-Archiv an der Goethe-Universität Frankfurt ging. Ihre Muttersprache selbst lesen und schreiben zu können, gaben sie als erste Priorität an, um ihre kulturelle Identität zu stärken und um die originalsprachlichen Dokumente in der Sammlung eigenständig konsultieren zu können.
Hintergrund:
Das Oswin-Köhler-Archiv beherbergt die weltweit größte Sammlung von Dokumenten über die Kultur und Sprache der Khwe im Bwabwata-Nationalpark in Namibia, bestehend aus inzwischen zum größten Teil veröffentlichten originalsprachlichen Texten, Fotos, Filmen, Tonaufnahmen, ethnographischen Objekten, Pflanzenpräparaten, Zeichnungen und Sachakten, die der Afrikanist Oswin Köhler zwischen 1959 und 1992 zusammengetragen hat. Das Oswin Köhler Archiv ist bestrebt, den Angehörigen der Herkunftsgemeinschaft Zugang zu diesen Dokumenten zu ermöglichen, dauerhafte und nachhaltige Beziehungen zu ihnen aufzubauen und das Material gemeinsam mit ihnen zu erforschen. Die Partnerorganisation in Namibia ist das Bwabwata Khwe Custodian Committee, das 2012 gegründet wurde und sich dem Erhalt der Khwe-Sprache und -Kultur widmet und das den geplanten Orthographie-Workshop mitorganisieren will.
Während eines von der Antragstellerin Dr. Gertrud Boden ebenfalls in Kooperation mit dem Bwabwata Khwe Custodian Committee durchgeführten Workshops Anfang März 2024 im Bwabwata Nationalpark in Namibia mit dem Titel “Understanding and presering Khwe cultural heritage“ diskutierten jeweils zwei Vertreter:innen der zwölf Khwe Dörfer im Park Ideen, wie das kulturelle Erbe der Khwe bewahrt und zwischen den Generationen weitergegeben werden kann und wie die Dokumente im Oswin-Köhler-Archiv zu diesem Zweck genutzt werden können. In der abschließenden Diskussion stellte sich heraus, dass auf der Wunschliste der Teilnehmer ein Orthographie-Workshop an erster Stelle steht, um die eigene Sprache und Kultur zu bewahren.
Ziele
Ziel des Workshops ist es, einer größeren Anzahl von Khwe das Lesen und Schreiben in ihrer eigenen Sprache beizubringen und sie damit in die Lage zu versetzen, die zahlreichen Dokumente in der Khwe-Sprache, die sich im Nachlass von Oswin Köhler und in diversen Publikationen finden, im Original zu konsultieren, d.h. ohne auf Dolmetscher oder schriftliche Übersetzungen ins Englisch angewiesen zu sein. Der Workshop soll die Teilnehmer:innen in die Lage versetzen, das Gelernte mit Hilfe des für den Workshop entwickelten Curriculums und der dort verwendeten Lehrmaterialien in ihren jeweiligen Dörfern zu verbreiten.
Das erwartete Ergebnis des Workshops entspricht den Anliegen und Zielen der Jutta-Vogel-Stiftung. Er leistet einen Beitrag zum Erhalt einer bedrohten Sprache und durch die Alphabetisierung in der lokalen Sprache auch zum Erhalt der in den historischen Dokumenten festgehaltenen Lebensformen. Er fördert Austausch und Begegnung zwischen einer universitären Sammlung und den Angehörigen der Herkunftsgemeinschaft und wirkt diskriminierenden Tendenzen entgegen, die sich beispielsweise im fehlenden muttersprachlichen Unterricht an namibischen Schulen und der Nicht-Anerkennung der politischen Führung der Khwe durch die namibische Regierung ausdrückt.
Organisation und Beiträge anderer:
Der Workshop soll in der Community Hall des lokalen Community Trus (Kyaramacan Association, KA) in der Ortschaft Mutc’iku stattfinden und zwei Wochen dauern (11 Arbeitstage). Die Zahl der Teilnehmenden beträgt 24 (2 pro Dorf, 12 Dörfer).
Der Workshop richtet sich an Teilnehmer:innen, die bereits eine andere Sprache wie Englisch oder Afrikaans lesen und schreiben können und sich während des erwähnten Workshops im März 2024 als sehr engagiert erwiesen haben, so dass von einer effektiven Vermittlung der Khwe-Orthographie ausgegangen werden kann. Der Workshop wird durch die Antragstellerin in Kooperation mit drei Khwe, die bereits ihre eigene Sprache lesen und schreiben können und mit denen sie seit vielen Jahren in Namibia und in Frankfurt zusammengearbeitet hat, durchgeführt.