Mauretanien 2012: Bibliothek „Ehel Taleb Mohamed“ in Tidjikja

2012

Zu den bedeutendsten, indes weitgehend unbekannten Schätzen des kulturellen Erbes der Menschheit zählen die Jahrhunderte alten Bibliotheken in Westafrika. Legendär ist das Zentrum der Wissenschaften in Timbuktu (Mali). Aber welcher Europäer weiß, dass es allein in der mauretanischen Oase Tidjikja (gespr. Tidschikscha) neunzehn Bibliotheken mit kostbarsten Schätzen an arabischen Manuskripten gibt? Diese Oase im Zentrum der Sahara in Mauretanien liegt am Kreuzungspunkt mehrerer alter Karawanenwege und ist eine uralte wichtige Station im Trans-Sahara-Handel. 1660 wurde Tidjikja von einigen Familien gegründet, die die Oase Chinguetti im Norden des Landes verlassen hatten, selbstverständlich mitsamt ihren Besitztümern, also auch ihrem in Schriften dokumentierten Wissen. So war Tidjikja von Anfang an ein Zentrum arabisch-muslimischer Gelehrsamkeit. Das Bewusstsein dieser Gelehrtentradition ist bis heute bei den Bewohnern der Oase lebendig. Alle Familien haben ihre Bibliotheken sorgsam gehütet – trotz aller Schwierigkeiten in politisch stürmischen Zeiten. Dennoch sind viele dieser Bücherschätze vom Verfall bedroht, denn alle sind nach wie vor in Familienbesitz, und deren finanzielle Möglichkeiten sind begrenzt. Die älteste und bedeutendste Bibliothek von Tidjikja ist die Bibliothek „Ehel Taleb Mohamed“ von Lembrabott Ould Taleb Mohamed. Der Gelehrte ist zugleich Präsident der „Gesellschaft der Bibliotheksbesitzer und zum Kulturerhalt in Tidjikja“ (Ligue des détenteurs de manuscrits et de la protection du patrimoine à Tidjikja) sowie Präsident der Gesellschaft der Gelehrten von Tagant (Tagant ist der gesamte Regierungsbezirk), und er ist Imam der Elargoub Moschee. Es war sein direkter Vorfahr, Taleb Mohamed Ould Khlife Ould Taleb Ahmed Ould Edge El Hadj, der sein Wissen über islamisches Recht (Fighe) in Chinguetti gelehrt hatte, bevor er sich 1660 in Tidjikja niederließ und damit ein neues Zentrum begründete, in dem fortan die Traditionen des Rechts, der Gelehrsamkeit und überhaupt der Sitten des gesellschaftlichen Zusammenlebens weitergegeben wurden.

Die Bibliothek, in der die Früchte dieser nunmehr Jahrhunderte alten Überlieferung gesammelt sind, umfasst mehr als 600 Manuskripte, Bücher, Schriftsätze, Gesetzestexte und alte Koranausgaben. Das älteste erhaltene Buch stammt aus dem 15. Jahrhundert und enthält Texte zu medizinischen Themen. Aus dem Reichtum dieser Bibliothek schöpften seit dem 17. Jahrhundert viele mauretanische Gelehrte ihr Wissen, darunter auch der berühmte Sidi Abdoullha Ould El Hadj Brahim. Teil der Sammlung, vor allem aus jüngerer Zeit, sind mehr als 20.000 Urkunden und Verträge, die die Stadt und ihr Umland betreffen und die Geschichte der ganzen Region beschreiben.

Mit dem Engagement der Jutta Vogel Stiftung gab es nun zum ersten Mal Unterstützung für Schutz und Erhalt dieser Schätze. Vordringlich ging es darum, den gesamten Bestand gegen Sand, Staub, Regen und Termitenbefall zu schützen und Bücher, Manuskripte und Urkunden sachgerecht zu lagern. Dann erst kann die Bibliothek auch interessierten Benutzern zugänglich gemacht werden und somit diesen Fundus in Mauretanien und darüber hinaus angemessen bekannt machen. In diesem Sinn ist die Unterstützung der „Ehel Taleb Mohamed“- Privatbibliothek ein wichtiges Pilotprojekt. Denn in Tidjikja warten noch mehr Kulturschätze darauf, ans Licht gehoben zu werden.

Das älteste Buch

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Kontakt

Logo: Silhouette einer Person mit Text: „Jutta Vogel Stiftung, Kulturerhalt in den Wüsten Afrikas“

Jutta Vogel Stiftung

Prof. Michael Bollig
Institut für Sozial- und Kulturanthropologie
Universität zu Köln
Albertus-Magnus-Platz
50923 Köln

E-Mail: info@jutta-vogel-stiftung.de

Tel.: +49 (0)221 470 76647