Mali: Erhalt der Handschriften aus Timbuktu

2015

Als im Jahr 2013 die Rebellen der Ansar Dine in Timbuktu einmarschierten und drohten, die antike Stadt mit ihren Schätzen zu zerstören, erschauderte die Welt. Befürchtet wurde die Zerstörung der zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörenden Gebäude Timbuktus sowie die zahlreichen Bibliotheken, in denen die wertvollen historischen Manuskripte lagerten. Sie sind ein wertvolles Zeugnis über die Geschichte und Kultur der westafrikanischen Region, die bis ins 12. Jahrhundert zurückreichen. Timbuktu war im 12. Jahrhundert als Handelsstadt an der nördlichen Biegung des Nigers entstanden und spielte dank ihrer Lage eine wichtige Rolle im Transsaharahandel. Zwischen den Goldminen im Süden Westafrikas und den Salzminen der Sahara lag die Stadt und wurde nicht nur zum Handelsumschlagsplatz zwischen Gold und Salz, sondern auch für Waren wie Elfenbein, Stoffe, Leder, Straußenfedern, Kolanüsse und Sklaven bekannt. Sie erlebte die Blütezeiten der Reiche von Ghana, Mali und Songhai, die die Geschichte Westafrikas prägten. Neben dem Handel wurde Timbuktu als intellektuelles Zentrum berühmt, zog Reisende und Gelehrte an. Noch heute bekannte Moscheen wurden bereits im 14. Jahrhundert erbaut und gaben der Wüstenstadt ihr einzigartiges, bedeutendes Stadtbild. In Europa machte sich die Stadt im 16. Jahrhundert neben ihren beliebten Goldlieferungen als bedeutendes Buchhandelszentrum einen Namen. Alte Bücher, Handschriften und Manuskripte, die Pilger, Reisende und Gelehrte aus dem Nahen Osten importiert hatten und von ihren Reisen mitbrachten, dienten als Handelsgut, sie wurden kopiert und verbreitet. So zeugen bis heute Timbuktus zahlreiche Bibliotheken mit ihren historisch wertvollen Manuskripten von einem reichen literarischen Erbe. Sie umfassen religiöse Diskurse, behandeln Theologie, Geschichte und Musik, aber ebenso Medizin, Mathematik und Astronomie. Neben Originaltexten handelt es sich um Primärtexte des Islams, zur Rechtsprechung und zur islamischen Wissenschaft. So beherbergt Timbuktu die größte Handschriftensammlung Westafrikas, die in über 40 privaten Familienbibliotheken aufbewahrt werden.

Als in jüngster Zeit die historischen Bauten und mit ihnen die beutenden Manuskripte durch Rebellen bedroht waren, erreichte die Bedrohung 2014 ihren Höhepunkt, als die Bibliothek des Ahmed-Baba-Instituts in Brand gesteckt und damit ihre etwa 30.000 historischen Manuskripte für immer vernichtet wurden. Bedroht waren in der Stadt ca. weitere 300.000 bedeutende Manuskripte. Doch nach den ersten Schockmeldungen über diese Zerstörung kam die Nachricht der Erleichterung: die meisten Manuskripte haben sich zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr in Timbuktu befunden, sondern waren von privaten Personen in Eigeninitiative gerettet worden, was Abdel Kader Haïdara zu verdanken ist. Er hatte sich bereits mit 17 Jahren für die Schriften engagiert und so die Arbeit seines Vaters fortgeführt. Nachdem ihm die Bedrohung der Handschriften klar wurde, gelang es ihm, die meisten Eigentümer der Privatbibliotheken davon zu überzeugen, ihm die Verantwortung der Rettung der Schriften zu übertragen. In Metallkisten im Format großer Koffer wurden die Manuskripte aus Timbuktu weggeschafft. Damit die Rebellen keinen Verdacht schöpften, wurden immer nur zwei Kisten auf Autos geladen, so dass insgesamt etwa 1200 Autofahren nötig waren, um die 2400 Kisten mit insgesamt 285.000 Manuskripten ins 700km entfernte, sicherere Bamako zu bringen. Einige der Kisten wurden per Eselskarren oder Boot auf dem Niger an Orte gebracht, wo eine gefahrlosere Verladung auf Autos möglich war. Dieser geheimen Rettung der Manuskripte, die etwa acht Monate in Anspruch nahm, ist zu verdanken, dass mindestens 95% der Manuskripte aus Timbuktu gerettet werden konnte. Derzeit lagern diese Manuskripte an verschiedenen Orten in Bamako immer noch in denselben Transportkisten. Die klimatischen Veränderungen, vor allem die höhere Luftfeuchtigkeit und die nicht sachgemäße Aufbewahrung, bedrohen die Manuskripte aber weiterhin.

Nachdem die Manuskripte erfolgreich nach Bamako evakuiert werden konnten, begann Abdel Kader Haïdara als Präsident der „Organisation zur Speicherung und Aufwertung der Manuskripte zum Schutz der Islamischen Kultur“ (SAVAMA-DCI) sich an verschiedene internationale Organisationen und Regierungsvertreter zu wenden, damit sie ihn bei der Erhaltung und Zugänglichkeit der Manuskripte unterstützen. Auf Initiative des deutschen Auswärtigen Amt, der Gerda Henkel Stiftung und der Jutta Vogel Stiftung konnten erste Schritte in die Wege geleitet werden, um bei der Einrichtung eines Manuskriptarchivs in Bamako zu helfen, in dem die Manuskripte sachgemäß gelagert, konservatorisch behandelt, katalogisiert, erforscht und digitalisiert werden können. In der Zwischenzeit konnte eine spezielle Ausrüstung für Konservierung und Restaurierung erworben, eine Koordinatorin vor Ort eingesetzt und mit den Arbeiten begonnen werden. Verschiedene Treffen in Mali und Deutschland zum Erhalt der Handschriften von Timbuktu hatten das Ziel, weitere Schutzmaßnahmen zu diskutieren, um die Handschriften nachhaltig schützen und erhalten zu können. Ferner ist es das Ziel, die gesamten Manuskripte für Forschungszwecke zu katalogisieren und digitalisieren, damit die wertvollen Zeugnisse der Vergangenheit für nachfolgende Generationen erhalten bleiben und ihre enorme Vielfalt, Gattungen und Themen weitere Auskünfte über die Geschichte und Kultur Westafrikas geben können.

Die Jutta Vogel Stiftung unterstützt das Projekt zum Erhalt der Handschriften in Timbuktu in Kooperation mit dem Auswärtigen Amt, der Gerda Henkel Stiftung, der Universität Hamburg und weiteren internationalen Partnern.

Überblick über aktuelle Entwicklungen des Timbuktu-Projekts, Mali
Download (Powerpoint)

Manuskript aus Timbuktu Copyright: CSMC, Universität Hamburg

Weitere Projekte

Nach oben scrollen

Kontakt

Logo: Silhouette einer Person mit Text: „Jutta Vogel Stiftung, Kulturerhalt in den Wüsten Afrikas“

Jutta Vogel Stiftung

Prof. Michael Bollig
Institut für Sozial- und Kulturanthropologie
Universität zu Köln
Albertus-Magnus-Platz
50923 Köln

E-Mail: info@jutta-vogel-stiftung.de

Tel.: +49 (0)221 470 76647