Namibia: Kulturerhalt der San / Kalahari-Wüste

2010

Überall in der Welt kennt man die San-Jäger und Sammler im südlichen Afrika; man kennt sie als zierliche, geschmeidige Menschen, die einst ihr Wasser in Straußeneischalen transportierten, große Antilopen aufspürten und Pfeilgift benutzten, das sie aus Käferlarven gewannen. Die San entwickelten Lebensformen, mit denen sie sich bestens anpassten an die Trockenzonen in Südafrika, Botswana, Zimbabwe, Angola und Namibia, einschließlich der Kalahari- und der Namibwüste. Archäologische Forschungen zeigen, dass die Kalahari-Bewohner bis in jüngste Zeit von wilder Nahrung lebten und so über Jahrtausende das ökologische Gleichgewicht bewahrten in einer Umwelt, die es heute kaum noch gibt. Die San lebten in kleinen, weit verstreuten Gruppen, deren Zahl genau zugeschnitten war auf das jeweilige Gebiet und seine Ressourcen. Zu denen zählte eine Vielzahl großer und kleiner Tiere ebenso wie Baumfrüchte, Nüsse, Beeren, Wurzeln und die sogenannte Tsama-Melone, die „Mutter“ der gezüchteten Wassermelone.

Ein Projekt, das die Jutta Vogel Stiftung in den Jahren 2009 und 2010 unterstützt, soll nun helfen, die vom Untergang bedrohte Kultur der San zu erhalten und an die jüngere Generation weiterzugeben. Das Material, das dafür zusammengetragen werden muss, umfasst alte Erzähltraditionen, aber auch aktuelle mündliche Überlieferung, etwa auf dem Gebiet der Heilkunst; zu dieser Überlieferung zählen nicht minder die politischen Forderungen der San, die sie im Zusammenhang mit der Unabhängigkeit Namibias (1990) erhoben. Gesammelt wird dies alles von eigens dafür ausgebildeten jungen San, die Tonbandgerät und Videokamera nutzen, um in ihrem eigenen Umfeld ältere Familien- und Gruppenmitglieder zu befragen. Einige von diesen Älteren sind ganz besonders geachtet als Heiler, die ihre Kunst mündlich weitergeben und vor allem seelische Leiden behandeln, etwa durch Handauflegen oder indem sie Menschen in andere Bewusstseinszustände führen. Wieder andere nehmen Führungspositionen im gesellschaftlichen Leben ihrer Gemeinschaft ein; ihre Erinnerungen sind von Bedeutung, um den politischen Prozess zu verstehen, in dem die San Bürger des modernen Staates Namibia geworden sind. Die Leitung dieses umfangreichen Projekts liegt in den Händen von Megan Biesele. Sie ist Director of the Kalahari Peoples Fund (KPF). Megan Biesele ist Anthropologin und Ethnologin. Schon seit 39 Jahren gilt ihre Arbeit den Ju/’hoan (Bushman) und ihrer Sprache Khoisan, der sogenannten „click“-Sprache, die im Nordosten Namibias und im Nordwesten Botswanas gesprochen wird. Die schon erwähnten San-Mitarbeiter und -Mitarbeiterinnen übertragen die Tonbandaufzeichnungen in Schriftform und übersetzen sie auch aus dem Ju/’hoan (gesprochen“Ju-twan“) ins Englische. Die auf diese Weise entstehende komplexe Sammlung der San-Kultur wird ermöglichen, dass die jungen San sich ihres eigenen kulturellen Erbes bewusst bleiben. Dessen Wurzeln reichen, wie archäologische Funde belegen, mindestens 40.000, vielleicht sogar 75.000 Jahre zurück – eine Zeitspanne, in der die Menschen auf fast gleiche Weise gelebt haben wie die Ju/’hoan bis in jüngste Zeit. Inzwischen haben viele San erkannt, wie wichtig es ist, dass ihre Kinder in den ersten drei Grundschuljahren ihre Muttersprache sprechen und mit der eigenen Tradition vertraut gemacht werden. Nur so sind sie in der Lage, auch ihre literarische Tradition zu sichern und fortzuführen; denn zur Zeit sind es nur noch ungefähr 17.000 Menschen in Namibia und Botswana, die Ju/’hoan sprechen – eine Sprache, die also in ihrer Existenz massiv bedroht ist. Immerhin gibt es seit der Unabhängigkeit Namibias das Village School Project (VSP), das zu deren Erhalt beiträgt und damit zugleich den San eine gleichberechtigte Stellung in der namibischen Gesellschaft garantieren soll.

Weitere Infos: www.kalaharipeoples.org
Abschlussbericht zum Download hier

Eine San-Frau bei der Tonbandaufnahme

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Kontakt

Logo: Silhouette einer Person mit Text: „Jutta Vogel Stiftung, Kulturerhalt in den Wüsten Afrikas“

Jutta Vogel Stiftung

Prof. Michael Bollig
Institut für Sozial- und Kulturanthropologie
Universität zu Köln
Albertus-Magnus-Platz
50923 Köln

E-Mail: info@jutta-vogel-stiftung.de

Tel.: +49 (0)221 470 76647