Dieses Forschungsprojekt der Jutta Vogel Stiftung kommt ein weiteres Mal dem kulturellen Erbe einer Gruppe der San zugute, die heute im Bwabwata National Park in Namibias West Caprivi lebt.
Die Khwe wurden in den Jahren des namibischen Unabhängigkeitskampfes von den südafrikanischen Streitkräften aus ihren angestammten Wohngebieten in die lokalen Militärlager umgesiedelt, weil ihr Siedlungsgebiet militärisches Sperrgebiet wurde. Viele Khwe wurden damals als Soldaten in die südafrikanische Armee rekrutiert, die dann im Zuge der Unabhängigkeit Namibias im Jahr 1990 das Land verließ. Im Jahr 2000 wurde der Naturschutzstatus des Caprivi Game Park zum National Park aufgewertet. Im Zuge der Umsiedlung verloren die Khwe den Zugang zu ihren Jagd- und Sammelgebieten. Die frühere Raumordnung, wonach die Oberhäupter von Familiengruppen entschieden, wer Zugang zu den natürlichen Ressourcen ihres Gebietes hatte, wurde irrelevant. Die Entwicklungen hatten auch Auswirkungen auf die Familienorganisation. Bis dahin waren die Familien „bilateral“ strukturiert, d. h. jedes Kind gehörte sowohl zur Gruppe der Mutter als auch zu der des Vaters und hatte damit das Recht, die Namen beider Familien zu tragen und die Ressourcen in den Jagd- und Sammelgebieten beider Herkunftsfamilien zu nutzen. Dem Einfluss der patriarchalischen Ordnung, wie sie in der südafrikanischen Armee herrschte, ist zuzuschreiben, dass viele Khwe sich nur noch der väterlichen Gruppe zuordneten, die Bedeutung des Familiennamens für die Subsistenz verloren ging und dass viele Namen bei den jüngeren Generationen in Vergessenheit geraten sind.
Heute ist den Khwe bewusst, wie viel Wissen über ihre eigene Kultur damit schon verloren gegangen ist. Deshalb haben sie begonnen, Informationen zur Siedlungsgeschichte einzelner Familienverbände zu sammeln und in ihrer Sprache aufzuschreiben, um die so gewonnenen Erkenntnisse an jüngere Generationen weiterzugeben. Hier setzt in enger Kooperation mit der jüngst von Bewohnern des Bwabwata National Parks gegründeten Kyaramacan Association die Arbeit von Dr. Gertrud Boden an, deren Ergebnis ein Textbuch sein soll, in dem Entstehung und Bedeutung von 35 Khwe-Familiennamen anhand originalsprachiger Texte mit interlinearen und englischen Übersetzungen dokumentiert sind. Weiterführende Informationen sowie Bilder und Zeichnungen ergänzen die Texte.
Das Buch soll sowohl im muttersprachlichen Schulunterricht genutzt werden als auch in der in Entstehung begriffenen Traditional Environmental Knowledge Outreach Academy (TEKOA), einer Einrichtung, in der ältere Khwe ihr traditionelles Wissen über die Umwelt an die jüngere Generation und an Besucher des Nationalparks weitergeben werden.
Hier können Sie sich einige Seiten der Endfassung des Buches ansehen: PDF-Download